Bemerkung zum Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
Vergangene Woche hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gemäß einer Pressemitteilung entschieden, dass die Beteiligung an Cum-Ex-Transaktionen nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als gewerbsmäßiger Bandenbetrug gewertet werden könne. Auch wenn für die breite Öffentlichkeit längst feststeht, dass Cum-Ex-Geschäfte strafbar sind und die Täter verurteilt werden müssen, sollte diese Entscheidung jeder und jedem Bauchschmerzen bereiten.
Bisher wurde in Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex-Transaktionen der Vorwurf der Steuerhinterziehung erhoben. Auch in dem ersten Strafurteil des Landgerichts Bonn vom 18. März 2020 werden diese Geschäfte allein als Steuerhinterziehung gewertet (über die Revision gegen dieses Urteil muss der Bundesgerichthof noch entscheiden). Und überhaupt wurde bisher nicht einmal thematisiert, dass Cum-Ex-Transaktionen auch den Straftatbestand des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs erfüllen sollen.
Das war auch richtig. Denn die Steuerhinterziehung und der Betrug stehen regelmäßig zueinander in einem „Exklusivitätsverhältnis“ (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 5 StR 569/96, Rn. 75 f. (juris) = BGHSt 43, 381; BGH, Urteil vom 14. Dezember 1983 – 3 StR 452/83, Rn. 12 (juris) = BGHSt 32, 203; so auch schon das Reichgericht, Urteil vom 25. April 1929 – II 1318/28 = RGSt 63, 139, 142; MüKo-StGB-Schmitz/Wulf, 3. Auflage 2019, § 370 AO Rn. 590; Joecks/Jäger/Randt-Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Auflage 2015, § 370 AO Rn. 29; Erbs/Kohlhaas-Hadamitzky/Senge, 233. EL Oktober 2020, § 370 AO Rn. 54). Geht es nur darum, steuerliche Vorteile zu erlangen, handelt es sich um eine Steuerhinterziehung; geht es nur um andere Vorteile, ist dies ein Betrug. Nur wenn – ausnahmsweise! – gleichzeitig Steuervorteile und andere Vorteile erstrebt wurden, können beide Taten zueinander in Tateinheit stehen.
Obwohl vor dem Hintergrund Cum-Ex-Geschäfte nicht als Betrug zu qualifizieren sein dürften, weil ausschließlich Steuervorteile erstrebt wurden, ist das Oberlandesgericht Frankfurt nun offenbar anderer Ansicht. Da der Angeklagte, über dessen Haftbeschwerde das Oberlandesgericht entschieden hat, in der Schweiz lebt, stellt sich daher die Frage, ob Cum-Ex-Geschäfte nur deshalb auch die Strafnorm des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs erfüllen sollen, damit der Angeklagte auch ausgeliefert werden könnte. Denn bei einer Strafverfolgung allein wegen einfacher Steuerhinterziehung liegen die Voraussetzungen für eine Auslieferung aus der Schweiz nicht vor.
Auch wenn es nach der populären öffentlichen Meinung hier nicht den Falschen treffen würde – ein Phänomen, das man in Wirtschaftsstrafsachen häufig beobachtet –, so wäre das nicht hinnehmbar. Das müsste die Strafverteidigung kritisieren und mit den zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfen dagegen vorgehen. Hier geht es nicht um einen Aufruf zur „Renaissance der Konfliktverteidigung“, dies ist aber eine Erinnerung an uns alle, dass Strafverteidigung auch unbequem sein muss. Diejenigen, die denken, es treffe hier ja eh den Richtigen, mögen nicht aus den Augen verlieren, dass nicht feststeht, wen es als nächstes treffen könnte.