…Randnummer 37 ist eine Revolution“.
Solche schrillen Überschriften – Clickbaits – kennt jeder, der im Internet unterwegs ist. Medien bedienen sich dem Clickbaiting, um beim Leser Neugierde zu erwecken. So werden die Rezipienten schließlich auf die Zielseite geleitet, was „Traffic“ generiert. Besonders gut funktionieren solche reißerischen Schlagzeilen, wenn sie mit dem Namen prominenter Persönlichkeiten verbunden werden. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshof beschäftigte sich nun mit dem Thema und erließ am 21. Januar 2021 zwei Urteile, die dem Verwenden von persönlichen Bildnissen für Zwecke des „Clickbaiting“ Grenzen aufzeigen.
Im „Günther Jauch-Urteil“ (Az. I ZR 120/19) wurden in einem Post auf Facebook unter der Überschrift „+++ GERADE VERMELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht.“ vier Bilder prominenter Fernsehmoderatoren abgebildet, unter ihnen auch Günther Jauch. Im Artikel, zu dem der Link bei Facebook führte, wurde über die Krebserkrankung einer der abgebildeten Personen berichtet – dabei handelte es sich allerdings gerade nicht um Günther Jauch.
Im „Traumschiff-Urteil“ (Az. I ZR 207/19) druckte der Beklagte, ein Verleger einer Sonntagszeitung, in einer Anzeige für das Gewinnspiel „Urlaubslotto“ ein Foto eines Schauspielers ab, der von 2014 bis 2017 in der Fernsehserie „Das Traumschiff“ die Rolle des Kapitäns übernahm. Dabei handelte es sich um eine Fotografie, die eine Szene aus der Fernsehserie mit zwei weiteren Schauspielern in ihren Rollen zeigte. Als Gewinne beim „Urlaubslotto“ gab es eine Kreuzfahrt und diverse Bargeldgewinne. Damit diente das Bild gleichsam als Symbolbild für Kreuzfahrten und zur Bewerbung des „Urlaubslottos“, eine weitere Verbindung zur prominenten Persönlichkeit wies der Beitrag jedoch nicht auf.
In beiden Urteilen setzte der BGH dem Verwenden von Fotos, die keinen Bezug zum redaktionellen Inhalt aufweisen und daher nur zur Generierung von Aufmerksamkeit und „Klicks“ verwendet werden, scharfe Grenzen. Der Ausgangspunkt der Urteile ist freilich nicht neu: Die Entscheidung über das Zurverfügungstellen von persönlichen Bildnissen zu Werbezwecken sei - so der BGH auch hier - wesentlicher vermögensrechtlicher Bestandteil des Persönlichkeitsrechts eines Abgebildeten. Eine Einwilligung des Abgebildeten lag jedoch in beiden Fällen nicht vor. Deshalb musste der BGH anhand einer Abwägung zwischen dem Interesse des jeweiligen Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit entscheiden, ob das streitgegenständliche Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) zuzuordnen gewesen ist und damit ohne Einwilligung des Abgebildeten genutzt werden durfte. Zwar ist es gefestigte Rechtsprechung, dass auch eine Werbeanzeige aktuelle Meinungsäußerungen transportieren kann, die eine Einordnung eines für die Werbung genutzten Promi-Fotos als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte rechtfertigen kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. 10. 2006 - I ZR 182/04 – Rücktritt des Finanzministers). Da in beiden Fällen die streitgegenständlichen Fotos jedoch erkennbar nur genutzt wurden, um den Werbewert der prominenten Persönlichkeiten auszunutzen, verneinte der BGH – zu Recht – ihre Einordnung als Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte:
Während der BGH im Jauch-Urteil auf der Seite des Beklagten deutlich machte, dass eine Verwendung des Fotos von Günther Jauch schon nah an der Grenze zur bewussten Falschmeldung sei, sah er im Traumschiff-Urteil die Abbildung zwar als Symbolbild für eine Kreuzfahrt im Sinne einer Traumreise an, attestierte aber der Information mit Blick auf den Schauspieler und seine Rolle als Kapitän - trotz der teilweisen Loslösung von dem Schauspieler als Person - eine funktionelle Unterordnung.
Ein nennenswerter Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung wird nach dem BGH zumindest nicht geleistet und allein die Erzielung von Werbeeinnahmen, die der Finanzierung journalistischer Arbeit dient, rechtfertige nicht ein Bild ohne einen Bezug zum Inhalt der Berichterstattung zu verwenden.
Die Urteile des BGH liegen auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung. Danach ist klar, dass das Persönlichkeitsrecht einer prominenten Person regelmäßig einer Nutzung seiner Bildnisse zur rein kommerziellen Werbung ohne weiteren Informationsgehalt entgegensteht. Dies gilt natürlich - und wie nun festgestellt – auch bei Werbung in Form von Clickbaits für Beiträge, die in keinem Zusammenhang mit dem betroffenen Prominenten stehen und kann wie in diesen beiden Fällen die Zahlung von (fiktiven) Lizenzgebühren zur Folge haben.