Vom scharfen Schwert zur stumpfen Waffe? Zur Diskussion um die Neuregelung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs (§ 139 RefE-PatG)

- News

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat kürzlich den Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (2. PatMoG) vorgelegt. Vor allem die geplante Änderung des Unterlassungsanspruchs sorgt für Diskussionsstoff. Eine Einordnung.

2. PatMoG ante portas

Am 1. September dieses Jahres – rund ein Jahrzehnt nach der letzten größeren Novelle des Patentrechts – hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (2. PatMoG) vorgelegt. Dem Referentenentwurf war ein Anfang des Jahres veröffentlichter Diskussionsentwurf vorausgegangen. Wie schon zum Diskussionsentwurf hat das BMJV Stakeholder – Unternehmen, Branchenverbände, Wissenschaftler – eingeladen, zu dem Referentenentwurf Stellung zu nehmen.

Zankapfel § 139 RefE-PatG

Um das bisherige Stimmungsbild (nicht nur) der jüngsten Konsultation vorwegzunehmen: Keiner der Reformvorschläge spaltet die Community so sehr wie die vorgesehene Änderung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs. Was den einen eine überfällige Maßnahme zur Eindämmung erpresserischer Unterlassungsklagen ist, ist den anderen die Eröffnung eines sicheren Hafens für Patentverletzer oder der Übergang hin zu einer Regulierung für eine Zwangslizenz.

Ausgangslage und Problemstellung

Worum geht es?

Ein Patent gewährt seinem Inhaber ein Ausschließlichkeitsrecht, erlaubt ihm also, die Erfindung alleine zu nutzen und Dritten die Nutzung zu untersagen oder von der Zahlung einer Lizenzgebühr abhängig zu machen. Wessen geschützte Erfindung unbefugt genutzt wird, der kann sich u.a. mit einem Unterlassungsanspruch nach § 139 PatG zur Wehr setzen und dem Patentverletzer mit gerichtlicher Hilfe die rechtswidrige Nutzung seines geistigen Eigentums verbieten. Der Unterlassungsanspruch erfordert kein Verschulden. Er setzt, grob gesagt, lediglich objektiv voraus, dass das geltend gemachte Patent verletzt wurde und die Gefahr besteht, dass dies wieder geschieht (wobei letzteres, die sog. Wiederholungsgefahr, vermutet wird). Wird eine Patentverletzung festgestellt, kann das dazu führen, dass das patentverletztende Produkt für lange Zeit vom Markt genommen werden muss. § 139 Abs. 1 PatG ist daher ein scharfes Schwert. Insbesondere aufgrund der Schlagkraft des Unterlassungsanspruchs, aber auch wegen vergleichsweise moderater Verfahrenskosten und einer eher kurzen Verfahrensdauer, gilt Deutschland als beliebter Standort für Patentverletzungsklagen.

Als beträchtliches, mitunter existenzielles Problem ist die Schärfe des Unterlassungsanspruchs indes in jüngerer Zeit vor allem bei komplexen Erzeugnissen wahrgenommen worden. Hier sind nicht selten hunderte Patente implementiert. Drohen Produktionsstopps und Verkaufsverbote, weil etwa eine in einem Auto verbaute Komponente ein Patent verwirklicht, das bei der Patentrecherche „durchgerutscht“ ist, kann man sich die Frage stellen, ob damit nicht weit über das Ziel hinausgeschossen wird. Zusätzliche Würze bekommen solche Fälle noch, wenn sog. Patenttrolle beteiligt sind. Damit sind Unternehmen gemeint, die selbst weder erfinderisch tätig sind noch eine eigene Produktion unterhalten, sondern deren Geschäftsmodell darin besteht, Patente (insbesondere aus Insolvenzmassen) zu erwerben, um sie gewinnbringend durch Lizenzierung zu verwerten, und die den Unterlassungsanspruch kalkuliert oder – horribile dictu – erpresserisch einsetzen, um ihrer Lizenzforderung Nachdruck zu verleihen.

Vorschlag des BMJV

Um diesem Problem Herr zu werden, schlägt das BMJV nun vor, § 139 Abs. 1 PatG ausdrücklich unter einen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt zu stellen. § 139 Abs. 1 S. 3, 4 und 5 RefE-PatG lauten:

„Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Erfüllung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles für den Verletzer oder Dritte zu unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Nachteilen führen würde. In diesem Fall kann der Verletzte einen Ausgleich in Geld verlangen, soweit dies angemessen erscheint. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.“

Bewertung

Es ist zu begrüßen, dass das BMJV dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine gesetzliche Aufwertung verschaffen möchte. Eine stumpfe Waffe wird aus dem Unterlassungsanspruch damit sicherlich nicht. Im Grunde ist unstreitig und steht (spätestens) seit der Wärmetauscher-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 10.5.2016 – X ZR 114/13) fest, dass auch die Durchsetzung von Patentrechten gegen eine Folgenbetrachtung nicht gänzlich immun ist. Allerdings ist die bisherige gerichtliche Rezeption von einiger Zurückhaltung geprägt. Eine ausdrückliche Regelung dürfte helfen, diese Zurückhaltung etwas zu lösen.

Diesen möglichen Fortschritt erkauft sich die vorgeschlagene Neuregelung allerdings womöglich um einen hohen Preis: Der Referentenentwurf betont vor dem Hintergrund der Unverzichtbarkeit eines „weiterhin starke[n] Unterlassungsanspruchs“ zwar den Ausnahmecharakter der Neuregelung. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass bei der jetzigen Fassung am Ende eine weitergehende Beschränkung des Unterlassungsanspruchs herauskommt, als angesichts dieses Bekenntnisses in der Begründung zum Referentenentwurf beabsichtigt. Für eine Beschränkung des Unterlassungsanspruchs sollen nämlich bereits „nicht gerechtfertigte Nachteile“ ausreichen, wo noch im Diskussionsentwurf von einer nicht gerechtfertigten Härte die Rede war. Auch haben die Interessen des Patentinhabers im Rahmen der Abwägung im Wortlaut des § 139 Abs. 1 S. 3 RefE-PatG keinen Niederschlag gefunden. Unklar ist schließlich, welche Drittinteressen im Rahmen der Abwägung berücksichtigungsfähig sein sollen. Anstatt darauf zu vertrauen, dass es die Praxis schon richten wird, sollte hier besser noch einmal klarstellend nachjustiert werden.







Autoren

Tags

Teilen

Aktuelles