Urheberrecht: Regierungsstreit zur Änderung des Urheberrechts?

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Das Urheberrecht ist in Bewegung: Nachdem zunächst zu erwarten war, dass eine Urheberrechtsänderung kurz bevor steht, hat ein Konflikt zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Bundeswirtschaftsministerium offenbar dazu geführt, dass die Reform noch ein wenig auf sich warten lässt – dies lässt zumindest ein von der „Welt“ veröffentlichter Artikel vermuten.

Nachdem 2019 der Unionsgesetzgeber die DSM-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/790) und die Online-SatCab-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2019/789) erlassen hat, veröffentlichte das Bundesjustizministerium (BMJV) im Januar 2020 zur Umsetzung der Richtlinien einen ersten und im Juni 2020 einen zweiten Diskussionsentwurf „zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts“. Seit Mitte September kursiert ein nicht-öffentlicher Vorentwurf zum Referentenentwurf, der die beiden Diskussionsentwürfe vereint. Überraschend veröffentlichte die „Welt“ am 23.09.2020 einen Artikel, abrufbar unter:

https://www.welt.de/kultur/medien/article216280252/Reform-des-Urheberrechts-Konflikt-zwischen-Ministerien.html,

in dem berichtet wurde, dass insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) mit dem Entwurf alles andere als einverstanden sei und dieser nun an das Referat zurückginge.

In den Ablauf eines Gesetzgebungsverfahrens ist dieser Bericht folgendermaßen einzuordnen: Bevor Gesetzesvorlagen von der Bundesregierung entstehen, erstellen die zuständigen Referate in den Bundesministerien sogenannte „Referentenentwürfe“, zu denen ggf. Stellungnahmen von Verbänden eingereicht werden können. Anschließend wird der Referentenentwurf im Kabinett, also allen Bundesministern, zur Abstimmung vorgelegt. Erst dieser Beschluss macht den Referentenentwurf zu einem förmlichen Regierungsentwurf, der nach Zuleitung zum Bundesrat in den Bundestag gelangen kann.

In diesem Fall hat sich das BMJV dazu entschieden, nachdem es bereits im Juni 2019 eine öffentliche Konsultation zur Umsetzung der beiden Richtlinien durchgeführt hatte, vor Erstellung des Referentenentwurfs noch einen (bzw. zwei) Diskussionsentwurf bzw. –entwürfe zu erstellen. Hintergrund dieses seltenen Weges war mutmaßlich die kontrovers geführte Debatte bei dem Erlass der DSM-Richtlinie auf Unionsebene. So wollte das BMJV wohl deutlich machen, dass über die Umsetzung der Richtlinien noch viel diskutiert werden müsse, wie die deutsche Bundesregierung bereits in einer Protokollerklärung im Rahmen ihrer Zustimmung zum Richtlinienvorschlag auf Unionsebene (abrufbar unter: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-7986-2019-ADD-1-REV-2/de/pdf) signalisiert hat.

Umso überraschender war, dass der Vorentwurf zum Referentenentwurf, trotz erheblichen Gegenwinds in zahlreichen Stellungnahmen, nur wenige Abweichungen zum Diskussionsentwurf vorsieht.

Ein wesentlicher Punkt, an dem sich das BMWi laut der Welt besonders gestört habe, sei die Regelung zu „Maschinell überprüfbaren gesetzlich erlaubten Nutzungen“ in § 6 UrhDaG-E. Danach sollte die öffentliche Wiedergabe und die hierfür erforderliche Vervielfältigung von urheberrechtlich geschützten Werken und Teilen von Werken im Umfang von bis zu 20 Sekunden eines Films oder Laufbildes, bis zu 20 Sekunden einer Tonspur, bis zu 1000 Zeichen eines Textes bzw. bei Lichtbildern oder Grafiken mit einem Datenvolumen von bis zu 250 Kilobyte erlaubt sein, wenn dies zu nicht kommerziellen Zwecken geschieht. Zur Begründung dieser Regelung verwies das BMJV schlicht darauf, dass es ohnehin übliche Geschäftspraktik sei, Werkausschnitte zu Werbezwecken im Internet unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, indem Trailer von Filmen sowie Hör- und Leseproben erstellt werden um potentielle Kunden zum Abschluss eines Nutzungsvertrages, zum Kauf eines Buches etc. zu animieren. Eine „Bagatellnutzung“ schädige daher die Primärmärkte nicht.

Zwar ist der Inhalt der Kritik des BMWi an dieser geplanten Regelung nicht publik, jedoch ist er leicht zu erahnen, wie auch den zahlreichen Stellungnahmen der Verbände zum Diskussionsentwurf zu entnehmen ist: Das BMJV hat die Tragweite einer solchen gesetzlich erlaubten Nutzung, die im Übrigen keinerlei Stütze in der europäischen Richtlinie findet, vollständig verkannt. Unabhängig von der rechtlichen Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht und der Einordnung der Regelung als neue urheberrechtliche Schranke oder „sui generis-Recht“ (wie das BMJV die Regelung deklariert), hat das BMJV auch die Marktrealitäten falsch eingeschätzt. So werden Trailer von Filmen, Hörproben von Musik und Hörbüchern etc., vom Rechteinhaber selbst so erstellt, dass der Inhalt tatsächlich zur Nutzung oder zum Kauf animiert. 20 Sekunden eines Films oder Hörbuchs, die jede beliebige Person veröffentlichen kann, können jedoch auch so gewählt werden, dass sämtliche Neugier auf den vollständigen Inhalt zunichte gemacht wird, weil alles Wesentliche verraten wird. Insoweit geht die Begründung des BMJV fehl – die Entscheidung, ob und mit welchem Inhalt Trailer, Hörproben, Leseproben, einzelne Bilder etc. öffentlich wiedergegeben werden, darf den Rechteinhabern nicht genommen werden. Über die Intention des BMJV, die hinter der Regelung steht, kann nur spekuliert werden. Möglicherweise sollte es ein Zugeständnis für Internetnutzer sein, nachdem das BMJV gemerkt hat, dass es - entgegen der Protokollerklärung der Bundesregierung im Rahmen des unionsrechtlichen Gesetzgebungsverfahrens - wohl kaum möglich sein wird, die Richtlinie so umzusetzen, dass ein Einsatz von sogenannten „Uploadfiltern“ auf Internet-Plattformen verhindert wird.

Auch wenn die Umsetzung des Art. 17 DSM-Richtlinie (ehemals Artikel 13), aufgrund der während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens der Richtlinie laut gewordenen breiten Empörung der Netzgemeinde, die das „Ende des freien Internets“ befürchtete, wohl die meiste Aufmerksamkeit bekommen dürfte, sind vor allem im zweiten Diskussionsentwurf weitere Regelungen, insbesondere zum Urhebervertragsrecht vorgesehen, die weit über den Umsetzungsauftrag der DSM-Richtlinie hinausgehen und insbesondere die Verwerter einseitig benachteiligen, gleichzeitig aber auch an den Interessen der Kreativen vorbeigehen.

Insoweit bleibt abzuwarten, ob und an welchen Stellen das BMJV nun am Referentenentwurf nachbessert und die in den Diskussionsentwürfen enthaltenen Regelungen abändert. Sollte, wie es der oben genannte Welt-Artikel verlauten lässt, die Zurückweisung des Entwurfes durch das Wirtschaftsministerium eine nicht nur geringfügige Änderung bewirken, dürfte jedoch die Einhaltung der vom Unionsgesetzgeber vorgegebenen Umsetzungsfrist bis Juni 2021 zu bezweifeln sein.







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