Markenrecht aktuell: Zur Bösgläubigkeit bei Markenrechtsanmeldungen

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Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 29. Januar 2020 – C-371/18 (Sky/SkyKick) und zum Urteil des BGH vom 23. Oktober 2019 – I ZR 46/19 (Da Vinci)

Was war im EuGH-Verfahren geschehen?

In dem EuGH-Vorabentscheidungsverfahren ging es um einen Rechtsstreit zwischen Sky und SkyKick wegen des Vorwurfs der Markenverletzung von Sky gehörenden Marken. Sky hatte die gleichnamige Marke u.a. für Waren der Klasse 9 (nämlich z.B. Computersoftware, Mittel für die Datenspeicherung), für Dienstleistungen der Klasse 38 (nämlich z.B. Telekommunikationsdienste) sowie zusätzlich für Bleichmittel, Isolationsmaterial und Peitschen angemeldet.

SkyKick argumentierte im Ausgangsverfahren, dass Sky einige dieser Waren oder Dienstleistungen nicht anbiete. Das vorlegende Gericht war der Ansicht, dass die Eintragung einer Marke für ein zu weit gehendes Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wegen eines hierdurch entstehenden und wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Monopols gegen das öffentliche Interesse verstoße.

Der EuGH hat folgendes festgestellt:

  • Bösgläubiges Handeln im Sinne der Nichtigkeitsvorschriften liegt auch dann vor, wenn der Markenanmelder bei der Anmeldung einer Marke ohne Benutzungsabsicht Waren und Dienstleistungen, aber mit der Absicht eintragen lässt, entweder in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden oder sich auch ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen.
  • Soweit Waren oder Dienstleistungen aufgrund bösgläubiges Handeln eingetragen worden sind, finden die absoluten Nichtigkeits- bzw. Ungültigkeitsgründe Anwendung, wobei die Bösgläubigkeit des Anmelders durch „schlüssige und übereinstimmende objektive Indizien“ festgestellt werden muss.

Was war im BGH-Verfahren geschehen?

Die dortige Klägerin war Inhaberin der Unionsmarke „Da Vinci“ (sowie elf weiterer Marken, die die Namen berühmter Künstler tragen), für die die Klägerin eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen unterschiedlichster Branchen angemeldet hatte. Die Klägerin ging innerhalb der Benutzungsschonfrist aus dieser Marke gegen die Beklagte abmahnend vor, wobei es zum Abschluss einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kam. Aus dieser ging die Klägerin erneut gegen die Beklagte vor und forderte erfolglos die Zahlung einer entsprechenden Vertragsstrafe.

Der BGH ging von einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung der Vertragsstrafe aus der Unterlassungserklärung nach § 242 BGB (Treue und Glauben) aus, da die Klägerin sich missbräuchlich auf eine formale Rechtsstellung im Markenrecht berufe. Dies sei dann anzunehmen, wenn kumulativ der Markeninhaber

  • eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet,
  • hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat und
  • die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.

Wenn neben der Klagemarke noch weitere Marken (hier: elf) angemeldet sind, die teils für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen unterschiedlichster Branchen Schutz beanspruchen sowie kein Konzept zur Nutzung der Marken ersichtlich ist, trifft den Markeninhaber eine gesteigerte sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der die Anmeldung betreffenden Umstände. Der Markenanmelder muss die hinter den Markenanmeldungen stehenden Überlegungen schildern und die jeweils entfalteten Vermarktungsbemühungen und hierbei erzielten Erfolge im Rahmen des Zumutbaren offen legen. Damit scheint der BGH auch auf objektive Indizien abzustellen.

Was bedeuten die Entscheidungen für die Praxis?

Diese beiden Entscheidungen betreffen Extremfälle, die die Grenzen einer extensiven Marken- sowie Waren- und Dienstleistungsanmeldung konkretisieren. Sie sollten dennoch zum Anlass genommen werden, bei Markenanmeldungen Weitsicht walten zu lassen und nicht wahl- und uferlos Marken und zu schützende Waren und Dienstleistungen anzumelden. Die sowohl im deutschen als auch im Unionsrecht enthaltende Benutzungsschonfrist bleibt daneben bei einer redlichen Anmeldung bestehen, kann aber im Fall bösgläubigen bzw. missbräuchlichen Verhaltens nicht helfen. Auch sollte nicht vergessen werden, dass das DPMA einer (ersichtlich) bösgläubigen Anmeldung die Eintragung versagen kann.

Durch die weite Formulierung des EuGH sind weiterhin die Grenzen eines „bösgläubigen Handelns“ unklar. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass - wie auch bei Sky durchaus denkbar - Markenanmelder die Absicht haben, ihre (bekannte oder noch bekannt werdende) Marke vollständig oder teilweise außerhalb ihres Kerngeschäftes an Dritte zu lizenzieren. Die EuGH-Entscheidung könnte vor diesem Hintergrund derart zu verstehen sein, dass eine bisher von der deutschen Rechtsprechung hierin gesehene Benutzungsabsicht (z.B. BGH, GRUR 2001, 424, 244 f. - Classe E) nunmehr abzulehnen ist. Trotz der unklaren Formulierung dürfte jedoch selbst nach der EuGH-Rechtsprechung die Anmeldung von Marken zur Lizenzierung an Dritte weiterhin eine zulässige Strategie sein. Eine entsprechende Klärung durch die Rechtsprechung wäre aber mit Blick auf die Rechtssicherheit wünschenswert. Auch eine mit der Absicht der Lizensierung angemeldete Marke führt zu einer Rechtsposition, die Drittinteressen schaden kann.

Fraglich ist, wie der Beweis zu führen ist, wenn sich die Marke noch in der Benutzungsschonfrist befindet und ein Dritter die Nichtigkeit begründenden „schlüssigen und übereinstimmenden objektiven Indizien“ - was auch immer das heißen mag - einer Bösgläubigkeit vorbringt, obwohl die Benutzung für die betroffenen Waren und Dienstleistungen tatsächlich doch geplant war und abstrakt in Betracht kommt. Dies kann letztlich zu einer (Teil-) Löschung der Marke bzw. Schutzlosigkeit im Kollisionsfall auch innerhalb der Benutzungsschonfrist führen. Daher wäre hier noch eine weitere Konkretisierung durch die Rechtsprechung wünschenswert. Immerhin hat der EuGH zumindest festgestellt, dass ein fehlender Geschäftsbetrieb bei der Anmeldung keine Grundlage für Bösgläubigkeit sein kann. Dem entsprechen aber die Entscheidungsgründe des EuGH nicht, der dem fehlenden Geschäftsbetrieb wohl eine indizielle Bedeutung für die Bösgläubigkeit beigemessen hat. Ob dieses dann durch den Vortrag einer beabsichtigten Lizensierung entkräftet werden kann, ist offen.

Markenanmeldern ist jedenfalls anzuraten, vor Erstellung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses genauer zu prüfen, welche Waren und Dienstleistungen sie tatsächlich anbieten wollen und für welche sie tatsächlich Schutz begehren. Hierfür sollten sie entsprechende Nutzungskonzepte erstellen und vorhalten, um sich später gegen die Vorwürfe des Rechtsmissbrauchs oder der Bösgläubigkeit zu wehren. Überschießende Waren und Dienstleistungen werden im Eintragungs- oder Nichtigkeitsverfahren zwar „nur“ korrigiert, was bei redlicher Erstellung eines weitergehenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses dennoch lästig ist. Risikoreicher für den Markeninhaber ist die Situation, wenn er markenrechtlich abmahnt und ihm dies wegen bösgläubiger Markenanmeldung als missbräuchliches Ausnutzen einer formalen Rechtsposition vorgeworfen wird. Kann er diesen Einwand nicht entkräften, setzt er sich Schadenersatzansprüchen wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung aus.





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